Freundschaft am Arbeitsplatz: Vorteile, Nachteile und Tipps
Hier die wilde Kanufahrt als teambildende Maßnahme. Dort das gemeinsame Feierabendbier beim Afterwork: War früher die strikte Trennung zwischen Arbeit und Privatleben die Norm, so verschwimmen in der modernen Arbeitswelt die Grenzen zwischen Job und Privatleben immer mehr. Aus der Work-Life-Balance wird zunehmend ein Work-Life-Blending. Wen wundert es da, dass am Arbeitsplatz auch Freundschaften entstehen? Dass aus Kolleginnen und Kollegen Frolleginnen und Frollegen werden?
Arbeitsfreundschaften gehören für viele einfach dazu. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup hat jede:r dritte Arbeitnehmer:in in Deutschland eine:n gute:n Freund:in bei der Arbeit. Einer Umfrage von Forsa zufolge hat die Hälfte aller Beschäftigten bei der Arbeit schon eine:n Freund:in fürs Leben gefunden. Schließlich wird es mit zunehmendem Alter nicht leichter, Freundschaften zu knüpfen und zu pflegen. Die Kontakte von früher verlaufen häufig im Sand – sei es durch arbeitsbedingte Wohnsitzwechsel oder durch Familiengründung. Arbeitsfreundschaften bringen allein schon dadurch Vorteile mit.
Basis einer Arbeitsfreundschaft
Was ist die Grundlage einer guten Beziehung? Etwas Verbindendes. Die Basis einer Arbeitsfreundschaft bildet eindeutig der Job. Doch allein schon dadurch finden sich zahlreiche Verbindungen und Gemeinsamkeiten: die Arbeit im gleichen Betrieb und in derselben Branche, oftmals dieselben oder ähnliche Aufgaben, ähnliche Interessen, ähnlicher Werdegang, ähnliche Ziele. Darüber hinaus verbringt man mit Kollegen und Kolleginnen in der Regel mehr Zeit als mit der eigenen Familie. Man sieht sich jeden Tag und teilt alltägliche Erlebnisse. Man feiert gemeinsame Projekterfolge, leidet unter denselben schwierigen Kunden oder Vorgesetzten. All das schweißt zusammen. Wenn die Chemie stimmt, können so lebenslange Freundschaften entstehen.
Arbeitsfreundschaften und ihre Vorteile
Zahlreiche Untersuchungen zeigen inzwischen: Mit einem Frollegen oder einer Frollegin sind am Arbeitsplatz zahlreiche Vorteile verbunden:
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mehr Zufriedenheit im Job
Wer Lieblingsmenschen am Arbeitsplatz hat, freut sich auf die Arbeit und den sozialen Austausch. Das steigert die Zufriedenheit – und die wiederum wirkt sich positiv auf die Motivation und das Engagement aus. Das macht sich auch im Team bemerkbar: Das Arbeitsklima und die Zusammenarbeit werden besser.
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höhere Produktivität
Mit dem ersten Punkt geht eine verbesserte Produktivität einher. Wer motivierter bei der Arbeit ist und auf Unterstützung von seinem Frollegen oder seiner Frollegin hoffen kann, arbeitet produktiver. Auch Überstunden werden lieber in Kauf genommen, wenn man seinen Buddy in der Nähe weiß.
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offeneres Feedback
Einem Kollegen oder einer Kollegin kritisches Feedback zu vermitteln, ist kein leichtes Unterfangen. Man will dem oder der anderen ja nicht auf den Schlips treten oder sie oder ihn kränken. Bei Arbeitsfreundschaften ist das anders: Hier wird – wie in einer Freundschaft – kritisches Feedback offener kommuniziert, ohne sich persönlich getroffen zu fühlen.
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mehr Ruhe in stressigen Zeiten
In jedem Job gibt es stressige Phasen. Doch die werden leichter gemeistert, wenn man eine:n Arbeitsfreund:in hat. Er oder sie beruhigt einen, nimmt einem vielleicht sogar etwas ab, zeigt Verständnis für die etwas angespannte Stimmung und gibt einem das Gefühl, sich auf ihn oder sie verlassen zu können.
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mehr Kreativität
Jede:r kennt es: Wenn man sich mit einem Freund oder einer Freundin austauscht, kommt man oft auf die genialsten Ideen. Davon kann ein Unternehmen profitieren. Unter Frolleginnen und Frollegen wird schneller mal outside the box gedacht – und man traut sich auch, verrückte Ideen zu äußern, ohne Angst zu haben, dafür verurteilt zu werden.
Die Nachteile einer Arbeitsfreundschaft
Trotz all der Vorteile gibt es jedoch zahlreiche Unternehmen, die Arbeitsfreundschaften nicht gut heißen. Sie befürchten, dass durch sie Probleme auftauchen können, die schwieriger aus der Welt zu schaffen sind als bei reinen Arbeitsverhältnissen:
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lange Pausen
Mit der Frollegin verquatscht und schon hat sich die Mittagspause in die Länge gezogen: Das sieht kein Arbeitgeber gern. Ebenso wenig, wenn zu viel während der Arbeitszeit geschnackt wird, so dass die eigentlichen Aufgaben zu kurz kommen oder sich andere Mitarbeitende gestört fühlen.
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Zweckfreundschaften
Es ist böse, eine Freundschaft nur zu führen, weil man damit etwas bezwecken möchte. Bei Arbeitsfreundschaften können Zweckfreundschaften ebenfalls vorkommen – vor allem, wenn sie über Hierarchien hinweg geführt werden. So bandelt der neue Kollege vielleicht nur mit dem Abteilungsleiter an, weil er sich die Leitung für das nächste Projekt erhofft. So freundet sich die Kollegin mit einer anderen vielleicht nur an, weil sie mehr über sie erfahren will, um sie gegen sich auszuspielen. Wer sich öffnet, macht sich schließlich angreifbar.
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Entstehen von Neid und Missgunst
Arbeitsfreundschaften können schnell auch in Feindschaften umschlagen und zu Neid und Missgunst führen, etwa wenn ein Part befördert wird und der andere nicht. Ähnlich sieht es aus, wenn sich beide für dieselbe interne Stelle interessieren und bewerben. Und noch unangenehmer wird es, wenn der Frollege oder die Frollegin plötzlich zum oder zur Vorgesetzten wird.
Tipps für Arbeitsfreundschaften
Job ist Job und Schnaps ist Schnaps
So gut man sich auch mit dem Kollegen oder der Kollegin versteht: Während der Arbeitszeit sollte der Fokus auf der Arbeit liegen. Private Gesprächsthemen sollten auf die Pause oder den Feierabend gelegt werden.
Guten Kontakt zu allen pflegen
Wer einen Frollegen oder eine Frollegin hat, neigt dazu, sich stark auf diese:n zu fokussieren. Geht die Arbeitsfreundschaft in die Brüche oder verlässt ein Part das Unternehmen, steht der oder die andere alleine da. Umso wichtiger ist es, sich mit allen anderen Mitarbeitenden ebenfalls zu verstehen.
Grenzen ziehen
Welche Informationen will man mit dem oder der anderen teilen? Wo gibt es Grenzen, die man auch aus einer Arbeitsfreundschaft raushalten möchte? Es ist wichtig, sich darüber klar zu sein und dem Frollegen oder der Frollegin diese Grenzen zu kommunizieren.
Sich langsam öffnen
Anders als im Privatleben bergen Arbeitsfreundschaften ein gewisses Risiko: Informationen können leicht gegen einen verwendet werden. Außerdem sollte eine gute Zusammenarbeit nicht mit Freundschaft verwechselt werden. Wer sich also zu früh anderen öffnet, ohne sie wirklich einschätzen zu können, macht sich angreifbar – und zwar so, dass damit ein gewisses Jobrisiko verbunden ist.
Vorsicht bei unterschiedlichen Hierarchien
Bei Freundschaften über unterschiedliche Hierarchiestufen hinweg besteht das Risiko einer Zweckfreundschaft. So erhofft sich der- oder diejenige in der niedrigeren Hierarchiestufe vielleicht einen beruflichen Vorteil durch den oder die andere. Außerdem können auch hier Neid oder Missgunst entstehen, wenn man sich mit dem oder der anderen vergleicht. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass der Frollege oder die Frollegin in der höheren Hierarchiestufe den oder die andere gegenüber anderen Mitarbeitenden bevorzugt.
Warum nicht jedes Unternehmen Arbeitsfreundschaften gerne sieht
Vor allem traditionell und stark hierarchisch geprägte Unternehmen sehen Freundschaften am Arbeitsplatz nicht gern. Manchmal sind es negative Erfahrungswerte, auf denen diese Ablehnung fußt. Manchmal bildet jedoch auch die Angst vor den oben genannten Nachteilen die Grundlage dafür. Denn verglichen mit Zwist in Privatfreundschaften hat Ärger innerhalb einer Arbeitsfreundschaft häufig unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeit und das Unternehmen. Außerdem befürchten manche Arbeitgeber eine Frontenbildung und wollen nicht, dass sich durch Arbeitsfreundschaften andere ausgegrenzt fühlen.
Fazit: Unterm Strich sind Arbeitsfreundschaften förderlich für alle Beteiligten – auch für das Unternehmen. Wie jede zwischenmenschliche Beziehung bergen sie gewisse Risiken. Deshalb heißt es immer: Augen auf bei der Wahl der Freunde. Die kann man sich im Vergleich zu den Kolleginnen und Kollegen nämlich aussuchen.