Was gibt es beim alternativen Arbeitszeitmodell zu beachten?
In Belgien ist sie bereits möglich, in Deutschland träumen viele noch davon: die 4-Tage-Woche. 71 Prozent der Arbeitnehmer:innen in Deutschland würden einer Forsa-Umfrage zufolge deren Einführung als Alternative zur klassischen 5-Tage-Woche begrüßen. Sie versprechen sich davon eine bessere Work-Life-Balance. Selbst bei Arbeitgebern rückt die 4-Tage-Woche verstärkt in den Fokus: Pilotprojekte haben gezeigt, dass die Angestellten produktiver, motivierter und zufriedener sind, wenn sie einen Tag weniger pro Woche arbeiten. Die Frage, die sich am Ende alle stellen: Überwiegen bei einer 4-Tage-Woche die Vor- oder die Nachteile?
Modelle einer 4-Tage-Woche
Im Wesentlichen gibt es zwei Modelle einer 4-Tage-Woche. In Belgien, wo Arbeitnehmer:innen bereits einen gesetzlichen Anspruch auf eine 4-Tage-Woche haben, verteilt sich die gleiche Arbeitszeit wie bei einer 5-Tage-Woche auf vier Tage. So ergibt sich eine tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden an vier Tagen, bei zugleich drei freien Tagen in der Woche.
Das zweite Modell sieht nicht nur eine andere Verteilung der Arbeitszeit, sondern zugleich eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden vor – im besten Fall bei Lohnausgleich. Dadurch bleiben die Arbeitstage gleich lang, die Mitarbeiter:innen gewinnen an Freizeit. Der Arbeitgeber profitiert von erhöhter Produktivität und mehr Zufriedenheit der Belegschaft. Doch wie realistisch ist dieses Modell?
Beispiele aus der Praxis:
Inzwischen gibt es einige Firmen, die in einer Testphase die 4-Tage-Woche ausprobieren – und einige, die sie sogar fest eingeführt haben. Perpetual Guardian, eine neuseeländische Fondsgesellschaft, war mitunter der Vorreiter. Das Unternehmen hat in einem Pilotprojekt die Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohn getestet – mit dem Ergebnis, dass die Leistung gleichgeblieben ist, die Qualität der Arbeit und vor allem die Kreativität zum Teil sogar gesteigert waren. Zugleich steigerte sich die Zufriedenheit der Angestellten und das Stresslevel sank. Und so wurde das Unternehmen der Auslöser der “4 Day Week Global”-Bewegung. Der haben sich unter anderem auch Unternehmen wie Bolt, die Comdirect Bank, Meier Bauelemente, Basecamp oder das Start-up Bike Citizens angeschlossen. Das Ganze geht so weit, dass es in Belgien seit 2022 einen gesetzlichen Anspruch auf die 4-Tage-Woche gibt.
Vorteile einer 4-Tage-Woche:
Denkt man an die Vorteile einer 4-Tage-Woche, so kommen einem automatisch die Vorzüge für die Belegschaft in den Sinn. Doch wie die Beispiele oben zeigen, gehen damit auch Benefits für den Arbeitgeber mit einher.
Vorteile für Mitarbeiter:innen:
- Eine 4-Tage-Woche ermöglicht eine bessere Work-Life-Balance.
- Es bleibt mehr Zeit fürs Privatleben, also für Familie, Freunde, Hobbies, Termine, Erledigungen etc.
- Ein Tag weniger Arbeit bedeutet mehr Regenerationszeit. Das Stresslevel sinkt, man fühlt sich entspannter und zufriedener.
- Wer mehr freie Zeit zur Verfügung hat, liebäugelt eher mit einer Fortbildung, um sich persönlich weiterzuentwickeln.
- Ein Arbeitstag weniger pro Woche tut dem Geldbeutel gut: Es entstehen weniger Fahrtkosten – und generell weniger Verkehr, was sich zugleich positiv aufs Klima auswirkt.
Vorteile für Arbeitgeber:
- Wie Pilotprojekte gezeigt haben, steigert sich bei einer 4-Tage-Woche die Produktivität. Mitarbeiter:innen arbeiten bis zu 60 Prozent produktiver.
- Die Arbeit wird effektiver erledigt, weil sich stärker auf die Arbeiten fokussiert wird.
- Kürzere Arbeitswochen gehen mit weniger Stress einher, so dass die Belegschaft weniger erschöpft und gesünder ist. Die Folge: weniger krankheitsbedingte Fehltage.
- Bleibt mehr privater Ausgleich steigt die Arbeitsmotivation.
- In Pilotprojekten konnte beobachtet werden, dass Mitarbeiter:innen kreativer waren.
- Fürs Employer Branding kann die 4-Tage-Woche von Vorteil sein: Damit heben sich Unternehmen im War for Talents von Mitstreitern ab und können für Bewerber:innen attraktiver werden.
Nachteile einer 4-Tage-Woche (je nach Modell):
- Bei gleichbleibender Arbeitsstundenanzahl werden die Arbeitstage länger.
- Zehn Stunden Arbeitszeit dürfen wegen des Arbeitsschutzgesetzes nicht überschritten werden. Was passiert also, wenn Überstunden notwendig werden?
- Bei einer 4-Tage-Woche reduziert sich der Urlaubsanspruch, weil sich dieser aus den Arbeitstagen pro Woche ergibt.
- Die Konzentrationsfähigkeit lässt nach 5 bis 6 Arbeitsstunden deutlich nach. Ist ein produktiveres Arbeiten wirklich möglich?
- Bei einer Reduktion der Arbeitsstunden zugleich kann das zu mehr Stress bei den Mitarbeitenden führen. Sie müssen in weniger Zeit dasselbe Aufgabenpensum erledigen.
- Bei verkürzten Arbeitszeiten bleibt weniger Zeit für Pausen und den sozialen Austausch innerhalb der Belegschaft. Das kann Auswirkungen auf Effektivität, Zufriedenheit und Betriebsklima haben.
- Unter Umständen geht die 4-Tage-Woche mit einem Lohnverzicht einher. Das können sich nicht alle Arbeitnehmer:innen erlauben. Im Gegenzug kann sich nicht jeder Arbeitgeber einen Lohnausgleich bei weniger Arbeitszeit erlauben.
- Für Unternehmen kann es schwierig sein, wenn die Belegschaft aufgrund einer 4-Tage-Woche schlechter für Kunden, Dienstleister und Co. erreichbar ist. Hier sollte über ein Schichtmodell nachgedacht werden.
Macht die 4-Tage-Woche Sinn oder nicht? Letztendlich hängt es vom Unternehmen und dessen Prozessen ab. Viele Arbeitgeber führen das flexible Arbeitsmodell deshalb nicht ad hoc ein, sondern testen es über einen längeren Zeitraum und ziehen anschließend Bilanz. Manche Unternehmen agieren dahingehend flexibel, dass sie es den Arbeitnehmer:innen selbst überlassen, ob sie eine klassische 5- oder lieber eine 4-Tage-Woche bevorzugen.