Wie Sie anderen eine Bitte freundlich abschlagen
“Könntest du das eben übernehmen?” “Frau Maier, darf ich Ihnen das auf den Schreibtisch legen?” “Michael, springst du bei der Präsentation für die kranke Tanja ein?” – Wir alle kennen diese Fragen aus der Arbeitswelt. Und wir alle wissen, wie wir diesen in der Regel begegnen: mit einem “Ja, gerne”, während wir innerlich die Augen rollen, grob überschlagen, wie viel später wir dadurch in den Feierabend kommen oder welche anderen Aufgaben wir deshalb auf den nächsten Tag verschieben müssen. Nein-Sagen fällt vielen Menschen schwer. Warum? Wir wollen andere weder verletzen noch vor den Kopf stoßen. Wir wollen nicht als das Kollegenschwein dastehen oder als rebellische:r Mitarbeiter:in. Wir wollen nicht egoistisch erscheinen. Denn wir haben Angst vor Ausgrenzung und Ablehnung – und die können mit einem “Nein” einhergehen.
Es ist auch nichts Schlimmes daran, anderen einen Gefallen zu tun. Zum Problem wird es, wenn wir es ständig tun. Dadurch rutscht man leicht in eine Gefälligkeitsfalle: Wir ignorieren unsere persönlichen Grenzen, lassen unsere Prioritäten von anderen setzen, werden leicht ausgenutzt, erfahren mehr Stress bis hin zur Überlastung und zugleich weniger Respekt und Wertschätzung. Denn natürlich wissen alle Mitarbeitende, wer der Trottel im Team ist, der nicht Nein sagen kann. Und natürlich drückt keiner an diese Person Aufgaben ab, mit denen sie oder er selbt an Ansehen gewinnen könnte. Doch zu jammern bringt nichts. Nein-Sagen lässt sich schließlich lernen. Wie, erfahren Sie in unseren Tipps.
Um Bedenkzeit bitten
Wenn Sie um einen Gefallen gebeten werden, handeln Sie nicht impulsiv aus dem Bauch heraus. Bitten Sie um etwas Bedenkzeit. Nennen Sie eine Deadline (“Ich geb dir nach der Mittagspause Bescheid.”) und halten Sie diese ein. Bis dahin können Sie sich genau überlegen, welche Kapazitäten Sie frei haben, was unter Umständen darunter leidet, wenn Sie der Bitte nachkommen und ob Sie dem Mitarbeitenden überhaupt einen Gefallen tun wollen.
Gründe für das Nein nennen
Vielen fällt es leichter, ein Nein zu schlucken, wenn sie die Entscheidung dafür nachvollziehen können. Erklären Sie also der Person, weshalb Sie die Bitte diesmal ausschlagen müssen, etwa “Wenn ich dir das abnehme, bekomme ich die Präsentation bis morgen nicht fertig und muss dann länger bleiben, obwohl wir für abends schon Kinokarten haben.” Das Nein bleibt zwar, aber Ihre Konsequenzen bei einem Ja werden für den/die Bittsteller:in nachvollziehbar.
Alternativen anbieten
Wenn Sie jemandem keinen Gefallen tun können, aber dennoch Ihre Hilfsbereitschaft signalisieren wollen, sind Alternativangebote eine gute Lösung. Damit zeigen Sie Grenzen und Unterstützung zugleich, etwa: “Nein, ich kann dir das Kundengespräch morgen nicht abnehmen. Aber wenn du möchtest, können wir heute Mittag gemeinsam einen Blick auf das Angebot werfen.”
Folgen verdeutlichen
Dieser Tipp ist besonders wertvoll, wenn Sie einer Führungskraft eine Bitte abschlagen. Schließlich wollen Sie nicht als der faule Mitarbeiter dastehen, der keine Extra-Aufgaben übernimmt. Wenn Sie also wirklich nicht für eine Aufgabe einspringen können, erläutern Sie die Gründe für Ihr Nein, indem Sie auf die Folgen bei einem Ja eingehen: “Herr Möller, wie Sie wissen arbeite ich gerade an Projekt XY. Wenn ich diese Aufgabe jetzt dazwischenschiebe, kann ich den Projektplan nicht einhalten. Dann verzögert sich der Launch, den wir schon für Tag XY angekündigt haben.”
An Abmachungen erinnern
Ebenfalls für das Nein gegenüber einer Führungskraft geeignet, ist, sie an die eigenen Abmachungen und Vorgaben zu erinnern und ihr die Entscheidung zu überlassen: “Frau Schmölke, ich dachte, Aufgabe XY hat gerade absoluten Vorrang. Haben sich die Prioritäten denn inzwischen verschoben?”
Um Mithilfe bitten
Ein guter Kompromiss beim inneren Nein-Sagen-Konflikt ist, ihr Gegenüber um Mithilfe zu bitten. So bieten Sie Ihre Unterstützung an, halsen sich aber nicht die komplette Aufgabe alleine auf. “Aus Zeitgründen kann ich dir leider nicht alles abnehmen, aber zusammen kriegen wir das bestimmt gestemmt.”
Ja-Sagen mit Aufschub oder Gegenleistung
Fällt es Ihnen trotzdem schwer, Nein zu sagen, dann bestimmen Sie wenigstens selbst, wann Sie sich um den Gefallen kümmern, oder schlagen Sie eine Gegenleistung heraus. Das könnte zum Beispiel so klingen: “Gerade habe ich noch Aufgabe XY zu erledigen, die keinen Aufschub duldet. Aber ab Montag könnte ich mich um Ihre Angelegenheit kümmern.” Bei der Gegenleistung könnte sich das so anhören: “Ich übernehme das für dich gerne. Kannst du dafür nächste Woche im Meeting für mich einspringen?”
Bei all diesen Tipps gilt: Übung macht den Meister! Probieren Sie das Nein-Sagen öfter mal aus. Sie werden merken, dass Nein-Sagen zufriedener macht, weil man mehr selbstbestimmt agiert und nicht das Gefühl hat, dass andere einem auf der Nase herumtanzen. So gewinnt nicht nur das Selbstbewusstsein an Größe, sondern auch Ihr Ansehen. Wichtig ist jedoch, wenn Sie anderen eine Bitte abschlagen, dass Sie dabei höflich, freundlich und respektvoll bleiben. Eine Rechtfertigungshaltung oder gar Lügen sind fehl am Platz. Jemandem einen Gefallen zu tun, kostet uns schließlich Zeit, die uns an anderer Stelle fehlt. Niemand kann erwarten, dass Ihre eigenen Aufgaben auf der Strecke bleiben, nur damit Sie anderen gerecht werden. Formulieren Sie Ihre Absage also so, dass daraus hervorgeht, dass Sie nicht den Bittsteller als Person zurückweisen, sondern lediglich die Bitte.
Wichtig ist, uns zudem vor Augen zu halten, dass wir durchaus anderen einen Gefallen tun können – wenn es der Zeitplan zulässt oder nichts Wichtiges ansteht. Dann können Sie gerne Ihre Unterstützung anbieten, die allerdings nie auf Einseitigkeit beruhen sollten. Gefallen sind ein Geben und ein Nehmen. Wer immer nur gibt, der wird zum Ja-Sager, gefangen in einer Gefälligkeitsfalle.