Birka Wolff vom Gründerinnenzentrum GIG7 gibt Tipps für den Umgang mit gängigen Gender Bias im Job
Partnercontent – in Zusammenarbeit mit GIG7
Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern?! Die existiert häufig nur auf dem Papier. In den Köpfen sieht es bei vielen anders aus – oftmals unbewusst. Denn wir alle kennen wohl die bereits früh in der Kindheit antrainierten Normen in Bezug auf Mädchen und Jungen. Da ist zum Beispiel der Junge, der auf einen Baum klettert und von den Eltern angespornt wird: „Komm, einen Ast mehr schaffst du noch!” Das Mädchen, das denselben Baum erklimmen will, wird von den Eltern gebremst: „Komm runter, du hast heute dein schönes Kleid an!”
Diese Muster – Jungs weinen nicht, Mädchen raufen nicht – bleiben häufig in uns verankert. Man spricht von Gender Bias. Das bedeutet, dass eine Person aufgrund ihres Geschlechtes und der damit einhergehenden Annahmen über Verhaltensweisen und Rollenbilder bevorzugt oder benachteiligt werden. Im GIG7, dem Kompetenzzentrum FeMale Business in Mannheim, begegnen die Mitarbeitenden im Alltag ständig diesen Bias: Gründerinnen haben häufig mit ganz anderen Herausforderungen auf dem Weg zur Selbstständigkeit zu kämpfen als Gründer. Dass die Gender Bias aber nicht nur in der Start-up-Szene vorherrschen, sondern überall im Berufsalltag auftauchen können, weiß Birka Wolff, Projektmanagerin Female Entrepreneurship im GIG7 (Bild). Wir haben sie mit ein paar gängigen Gender Bias konfrontiert und um Tipps aus ihrer beruflichen Praxis gebeten, wie man diese umgehen kann.
Frauen in Führungspositionen werden häufig weibliche Züge abgesprochen. Sie gelten als hart und dominant. Wie räumt man mit diesem Klischee auf?
Birka Wolff (GIG7): Die Basis der Frage ist: Warum ist das so?
Wir treffen in der Arbeitswelt auf unterschiedliche Rollenerwartungen. Werden diese nicht erfüllt, wird dies automatisch negativ registriert. Ein Beispiel: Die klassische Rollenerwartung an viele Frauen ist ein soziales, kümmerndes Verhalten. Zeigt eine Frau dieses Verhalten in ihrer Führungsposition weniger, werden wir darauf aufmerksam. Das Interessante ist nun leider: Zeigt sich das klassisch assoziierte Rollenverhalten, fällt das auch negativ auf, denn das passt nicht zur klassischen Rollenerwartung „Führungskraft“. Die Frau steckt also in einer Zwickmühle.
Wie kann dies gelöst werden?
Eine Studie von Wei Zheng, Olca Surgevil und Ronit Kark zeigt, dass erfolgreiche Chefinnen verschiedene Strategien entwickelt haben: Eine Betonung der Eigenschaften je nach Situation und Anforderungen: Es gibt Situationen, in denen verschiedene Verhaltensweisen benutzt werden. Dabei wird zum Beispiel unterschieden zwischen Teambeziehungssituationen und Aufgabenbesprechung. Die Abwechslung verschiedener Eigenschaften, das Zusammenbringen der scheinbar gegensätzlichen Anforderungen, oder das sogenannte Reframing. Hierbei wird zum Beispiel neu definiert, was es heißt, eine Führungskraft zu sein, oder bewusst Verletzlichkeit als Stärke und Selbstbewusstsein kommuniziert.
Regt doch zum Beispiel mal eine Diskussion darüber an, was eine gute Führungskraft ausmacht!
Bei der Besetzung von neuen Stellen werden Frauen im Alter von um die 30 unabhängig ihrer Qualifikationen gegenüber männlichen Bewerbern gerne benachteiligt. Was kann man dagegen tun?
Birka Wolff (GIG7): Das ist meistens ein klassischer „Like Me”-Bias: Uns sind Personen sympathisch, die so sind wie wir. Einstellende Führungskräfte sind häufig männlich und nicht 30, hier findet also weniger Identifikation statt. Ein wichtiger Punkt ist deshalb, klare Kriterien für die Leistungsbewertung festzulegen und die Entscheidung von einem möglichst diversen Team treffen zu lassen – das betrifft Alter, Gender, Herkunft und Persönlichkeit! Wäre nicht ein Teil der Antwort in Bezug auf das Risiko auf Schwangerschaft sowie Weltbild, was ein viel richtigerer Gedanken wäre, dass ein junger Vater genauso in Elternzeit oder reduzierte Arbeitszeit gehen kann?
Frauen gelten als teamfähig, Männer dagegen als selbstständig. Die Folge: Erfolge fließen bei Frauen auf das Teamkonto, bei Männern auf das persönliche Konto, was auch Auswirkungen auf Beförderungen hat. Wie wirkt man hier entgegen?
Birka Wolff (GIG7): Auch bei Beförderungen short and simple: Legt Kriterien fest, die Gehalt und Beförderungen bestimmen. Eine weitere Idee ist ein Gender Committee, das sich das gesamte Unternehmen anschaut, um systematisch Vorurteile aufzudecken, Diskussionen anzuregen und Führungskräfte mit den existierenden Biases bekannt zu machen.
Bei fachlich gleichen Qualifikationen werden Bewerbungen von Männern als signifikant kompetenter bewertet als die von Frauen. Männer werden als kompetenter, geeigneter und förderungswürdiger eingestuft und ihnen wird ein höheres Einstiegsgehalt geboten – unabhängig vom Geschlecht des Beurteilenden. Also auch Frauen schätzen die Leistung von Frauen schlechter ein. Welchen Lösungsansatz haben Sie hier?
Birka Wolff (GIG7): Ergänzend zu den Maßnahmen für Unternehmen können wir nur empfehlen: Traut euch zu fordern, was ihr wert seid! Die meisten Frauen schätzen sich selbst zu niedrig ein. Vergesst außerdem nicht: Ihr werdet auch noch runtergehandelt.
Frauen werden in beruflichen Gesprächen häufiger nach der Organisation ihres Privatlebens gefragt. Besonders jüngere Frau gelten als Unsicherheitsfaktor und damit als weniger geeignet. Warum ist das so und wie kommt man aus dieser Falle raus?
Birka Wolff (GIG7): Frauen werden beispielsweise in Investitionsgesprächen ganz andere Fragen gestellt als den männlichen Counterparts. Das hat auch etwas mit der Einschätzung der Gründerinnen und ihren Geschäftsmodellen zu tun. Wir im GIG7 bekommen das auch regelmäßig mit. Frauen werden beispielsweise nach Risiken gefragt, Gründer hingegen nach Chancen. Damit erscheinen die männlich geführten Start-ups gleich in einem positiveren Licht.
Grundsätzlich ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, welches Interesse das Gegenüber hat und wie ich die Person professionell von mir überzeugen kann. Die Frage nach der Familie oder Vereinbarkeit muss gar nicht beantwortet werden, „frau“ kann sich dessen bewusst sein und in eine andere Richtung antworten. Aber warum kann nicht gerade das auch eine besondere Kompetenz sein? Muttersein bringt auch viele Stärken mit sich. Übrigens fragen wir dafür viel zu wenig nach dem „Vatersein”. Daran muss unsere Gesellschaft arbeiten, auch die Medienbranche hat hier einen besonderen Auftrag!
Und letztendlich bleibt immer noch die Chance: Begib dich in eine Situation, wo du auf Augenhöhe mit deinem Gegenüber kommunizieren kannst. Bei der Investitionssuche kannst du dir beispielsweise einen Fond speziell für Gründerinnen oder für deine Branche raussuchen.
Die Geschäftsmodelle von Gründerinnen sind nicht so wirtschaftlich ausgelegt, da sie nicht so zahlen- und wachstumsorientiert sind. Außerdem wird in weniger innovativen Branchen gegründet. Stimmt das?
Birka Wolff (GIG7): Ja und nein. Viele Gründerinnen haben andere Schwerpunkte als der typische männliche Gründer und legen häufiger einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit. Hier muss man sich klar fragen: Wie wollen wir wirtschaften? Ist langsameres, dafür nachhaltiges Wachstum schlechter als schnelles? Sollten wir schnelles Wachstum fördern? Die Kombination ist natürlich die Kür!
Studien haben gezeigt, dass die Geschäftsmodelle von Gründerinnen nachhaltiger und diverse Teams schlichtweg wirtschaftlich erfolgreicher sind. Zum Thema Innovation ist jedoch FAKT: Zum Beispiel im Tech-Bereich gibt es unheimlich wenig Gründerinnen – aus unterschiedlichsten Gründen – und hier muss sich etwas ändern. Technologien bestimmen nicht nur unsere Zukunft, sondern auch schon unsere Gegenwart. Außerdem steckt hier unheimlich viel Geld, zum Beispiel in Förderungen. Hier wünsche ich mir mehr female Start-ups!
Viele Führungsposition werden über das Netzwerk besetzt. Das scheint oft wie elitäre Clubs, in die es als außenstehende Frau schwer ist, hineinzukommen. Was tun?
Birka Wolff (GIG7): Wenn ich mir vorstelle, in einem Raum ist eine Gruppe von Menschen, die ich nicht kenne. Zu wem stelle ich mich? Dann sind das die Personen, die mir am ähnlichsten scheinen, mit denen ich mich, so die Vermutung, gut austauschen kann. Aber was, wenn dort niemand ist, der mir ähnlich ist? Dieses Problem hatten bestimmt schon einige auf Konferenzen oder bei Meetups. Entscheidend ist hier tatsächlich das Netzwerk. Denn schon bin ich nicht mehr die Einzige mit einer anderen Perspektive und ich habe Unterstützer:innen an meiner Seite. Bau dir aktiv Kontakte auf, die dir weiterhelfen könnten.
Außerdem hier ein Tipp vor allem an die in diesem Raum, die zur Mehrheit gehören – das gilt sowohl für männer- als auch umgekehrt für frauendominierte Branchen: Öffnet eure Netzwerke. Denn Führungspositionen, Panel, Finanzierungsoptionen, oder Ähnliches werden zu großen Teilen über informelle Kontakte besetzt. Wenn jede:r hier die Person empfiehlt, die einem am ähnlichsten ist, kommen wir nicht weiter und reproduzieren den aktuellen Status quo. Nimm Personen, die du wertschätzt, deshalb mit in dein Netzwerk auf, nicht nur die, die dem Netzwerk ähnlich sind!
Mehr Inspirationen und Weiterbildungen für Gründer:innen gibt es hier.