Die Vorteile und Nachteile von virtuellen Jobinterviews
Aus einer bisherigen Notlösung wurde eine Lösung: Remote Recruiting ist nicht erst eine Erfindung von gestern, hat aber im Zuge der Corona-Pandemie neue Dimensionen gewonnen. Wie sollten Unternehmen sonst offene Stellen kontaktlos im Home-Office neu besetzen? Home-Office wird aber auch nach der Pandemie eine zunehmend wichtige Rolle in Unternehmen spielen. Und somit wird in der Personalbeschaffungsmethode Remote Recruiting nicht gänzlich von der Bildfläche verschwinden, gehen mit ihm doch erhebliche Vorteile einher.
Remote Recruiting: Was ist das überhaupt?
Der Begriff bedeutet so viel wie Personalbeschaffung aus der Ferne. Bislang wurde diese Form des Recruitings vor allem in großen Unternehmen mit verschiedenen Standorten, aber auch für die Vergabe von Auslandsjobs genutzt – manchmal selbst dann, wenn ein persönliches Treffen aus anderen Gründen nicht möglich war. Große Unternehmen mit mehreren Gesprächsrunden im Bewerbungsprozess nutzten schon vor Corona häufig Remote Recruiting für das Erstgespräch und luden nur die engere Auswahl anschließend ins Unternehmen ein. Doch seit 2020 hat sich das geändert: Selbst in kleinen und mittleren Unternehmen sind virtuelle Personalbeschaffungsverfahren eingezogen – von der Stellenausschreibung über den Auswahlprozess und die Vorstellungsgespräche bis hin zur digitalen Vertragsunterzeichnung.
Wie funktioniert Remote Recruiting?
Das Vorstellungsgespräch ist das Herzstück im Bewerbungsprozess. Darauf zu verzichten, kann sich weder das Unternehmen noch der Bewerber erlauben. Wie will man eine gute Entscheidung treffen, ohne sich mit dem anderen einmal unterhalten oder ihn zumindest virtuell gesehen zu haben? Hier setzt das Remote Recruiting an: Statt dem Interview von Angesicht zu Angesicht gibt es ein Videointerview, meistens live und ohne Aufzeichnung.
Das Unternehmen arbeitet dabei mit einem Videokonferenztool und lässt dem Bewerber einen Zugangslink zukommen, über den er sich in das digitale Vorstellungsgespräch einwählen kann. Ob dann zwei oder mehrere Vertreter des Unternehmens noch mit dabei sind, ob diese sich einen Raum teilen oder ebenfalls jeweils Remote zugeschaltet sind, ist ganz unterschiedlich. Der Bewerber muss hier mit allem rechnen. Aber auch hier gilt: Videointerviews sind keine Erfindung aus dem Jahr 2020: Corona hat deren Einsatz allerdings einiges multipliziert.
Die nötige Ausstattung
Empfehlenswert für das Videointerview ist es, sich einen aufgeräumten Platz zu suchen mit möglichst neutralem Hintergrund und keinen Störgeräuschen. Die Kamera sollte nicht gegen das Fenster ausgerichtet sein. Das Licht sollte im Idealfall von der Seite einfallen. Eine schnelle und zuverlässige Internetverbindung bildet die Basis, ein Headset sichert in der Regel eine gute Audioqualität und sorgt für Verständlichkeit. Was die Auswahl der Kleidung angeht: Stilettos und Anzugshose müssen es bei einem Videointerview natürlich nicht sein – diese befinden sich ohnehin nicht im Bild. Allzu leger sollte die Kleidung jedoch nicht sein: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance.
Für den Personaler oder denjenigen, der das Gespräch führt, ist es im Videointerview umso wichtiger, einen strukturierten Ablaufplan zu haben. Der Konzentration wird über den digitalen Austausch mehr abverlangt als im persönlichen Austausch. Deswegen: Kein unnötiges Verzetteln! Der Interviewer sollte sich allerdings bewusst sein, dass überwiegend von ihm der Eindruck abhängt, den ein Bewerber vom Unternehmen erhält. Umso mehr sollte er für eine entspannte Gesprächsatmosphäre sorgen und durch das Einbinden von Videos oder Fotos versuchen, die fehlenden Eindrücke vom Unternehmen auszugleichen.
Die Vorteile von Remote Recruiting
Mit Remote Recruiting gehen für Bewerber sowie für das Unternehmen einige Vorteile einher, einmal abgesehen vom Gesundheitsschutz im Zuge von Corona. Einer der wesentlichen Vorteile ist die Flexibilität auf beiden Seiten: Die Bewerber sind in der Regel schneller für ein Gespräch verfügbar, es können mehrere Bewerber in kürzerer Zeit zum Interview eingeladen werden. Ein weiterer Pluspunkt: Die Zeiten für An- und Abreise entfallen ebenso wie die Erstattung von Reisekosten der Bewerber, die viele Unternehmen in der Regel übernehmen.
Für das Unternehmen ebenfalls praktisch ist die Möglichkeit der dezentralen Durchführung des Jobinterviews. Es können sich mehrere Mitarbeiter des Unternehmens einklinken, egal, an welchem Standort sie arbeiten. Zugleich können auch Bewerber im Prozess berücksichtigt werden, die bislang mobil eingeschränkt waren. Ein weiterer Vorteil, der nicht zu unterschätzen ist, ist die Tatsache, dass Bewerber meistens authentischer und souveräner auftreten, wenn sie sich in ihrem gewohnten Umfeld, also zu Hause, befinden. Das vermittelt dem Unternehmen einen ehrlicheren Eindruck und lässt leichter auf einen Personal Fit schließen.
Die Nachteile von Remote Recruiting
Für manche mögen die Vorteile von Remote Recruiting überwiegen. Die Nachteile sind jedoch nicht zu unterschätzen. Das fängt mit den Tücken der Technik an, die wohl jeder kennt, der schon einmal an einer Videokonferenz teilgenommen hat: Schlechtes Internet, eingefrorene Bilder und abgehackter Ton sind nur einige Beispiele. Hinzu kommt aber, dass man sein Gegenüber nur auf dem Bildschirm sieht. Dabei bleibt die nonverbale Kommunikation weitgehend auf der Strecke und auch die Sinneseindrücke sind nicht dieselben, die man gewinnt, wie wenn man sich einen physischen Raum mit jemandem teilt. Für den Bewerber ist das gleich doppelt schwierig: Einen Eindruck vom Unternehmen kann er sich nur von Bildern oder Imagefilmen machen. Ob diese aber die richtige Arbeitsatmosphäre und Unternehmenskultur vermitteln?
Fazit:
Remote Recruiting ist in vielen Unternehmen inzwischen gängige Praxis. Natürlich ist ein Videointerview nicht dasselbe wie ein Vorstellungsgespräch von Angesicht zu Angesicht mit freundlichem Lächeln und feuchtem Händedruck. Es macht Personalauswahl jedoch in Pandemie-Zeiten möglich – und erleichtert vielerorts sogar die Durchführung. Angesichts der Tatsache, dass viele Unternehmen in Zukunft verstärkt im Home-Office arbeiten wollen, lässt sich ablesen, dass diese Form der Personalbeschaffung eine nachhaltige Rolle spielt. Warum auch nicht?! Viele von uns haben sich inzwischen an den digitalen Arbeitsalltag und Videomeetings gewöhnt. Daran knüpft Remote Recruiting unmittelbar an.