Arbeitszeiterfassung und Vertrauen gehen auch Hand in Hand
Spätestens seit dem EuGH-Urteil von 2019 wissen wir: Unternehmen müssen Arbeitszeiten erfassen. Ob dies nun in digitaler oder analoger Form erfolgt, ist erstmal Nebensache. Wichtig ist nur, dass dem Arbeitgebenden die Arbeitszeit übermittelt wird. Da stellt sich die Frage: Passt dies überhaupt noch in den modernen Arbeitsalltag, der von Flexibilität und Selbstbestimmung geprägt ist?
Arbeitszeiterfassung wider der Vertrauenskultur in Unternehmen?
Für viele Arbeitnehmende ist die Protokollierung ihrer Arbeitszeit das Paradebeispiel an Kontrolle seitens des Arbeitgebenden. Gerade die physisch angebrachte Stechuhr im Unternehmen, einem Terminal, erzeugt dieses Bild nochmals drastisch. Kritik wird insbesondere deswegen laut, weil sich Mitarbeitende in ihrer Freiheit eingeschränkt sehen und Modelle wie Vertrauensarbeitszeit als zunichte gemacht empfinden. Für sie ist das Zeit-Tracking gleichzusetzen mit einem Rückschritt zu alten Mustern, in denen Lochkarten und starre Arbeitszeitmodelle Konjunktur hatten. Doch gibt es auch Vorteile, die die Zeiterfassung seitens des Arbeitgebenden rechtfertigen oder sogar bestärken, da sie zugunsten des Arbeitnehmenden verlaufen?
Positive Seiten der Zeiterfassung
Mag es früher durchaus der Fall gewesen sein, dass Führungskräfte mittels der Arbeitszeit-Protokollierung ihre Mitarbeitenden kontrolliert haben, ob diese auch wirklich im vorgegebenen Rahmen zur Arbeit erschienen sind und ordentlich gearbeitet haben, wendet sich das Blatt heutzutage eher zugunsten einer sinnvollen Nutzung der getrackten Daten. Und diese nutzt nicht nur dem Unternehmen, sondern auch dem Mitarbeitenden!
Zeiterfassung - Vorteile
Instrument für eine bessere Work-Life-Balance
Egal, ob Sie Ihre Arbeitszeit über ein Terminal erfassen, die Zeiten in einem Excel-Sheet pflegen oder gar Stift und Papier zücken: Sie notieren sich Ihre Arbeitszeit und haben diese schwarz auf weiß vor sich liegen. Vorteil: Sie können so für sich selber bilanzieren, wie viel Zeitaufwand Sie in Ihre Arbeit investieren und sich fragen, ob dieser Aufwand wirklich das ist, was Sie im Beruf wollen. Kommt Ihr Privatleben zu kurz oder müssen Sie die Weichen neu stellen, damit Sie mehr von Ihrem eigenen Leben haben? Oder können Sie sogar mittels dieser Datengrundlage erkennen, dass Ihr jetziger Job Ihnen zu viel abverlangt oder ob Sie zu mehr berufen sind? Seine Zeit zu erfassen kann ungeahnte Änderungen mit sich führen, wenn man die Daten sinnvoll für sich zu nutzen weiß.
Prozessoptimierung
Gehen wir einen Schritt weiter: Wer nicht nur sein Kommen und Gehen protokolliert, sondern einzelne Arbeitsschritte trackt, kann sich und dem Unternehmen viel Gutes tun in Sachen Wertschöpfung. Kann eine Firma nämlich ihre Prozesse optimieren, verschlanken, neu entwerfen und insgesamt effizienter aufstellen, profitieren auch Sie als Teil der Mitarbeiterschaft. Effiziente Unternehmen arbeiten wirtschaftlicher, was sich früher oder später auch im Geldbeutel bemerkbar macht. Für Sie persönlich bedeutet dies, dass so manch ungeliebter Arbeitsschritt wegfällt oder so optimiert wird, dass Arbeiten wieder mehr Spaß macht. Und so oft wir über die Arbeit schimpfen: Spaß machen sollte sie trotzdem, oder?
Erbringen von Nachweisen
Wenn ein Mitarbeitender das Unternehmen verlässt und keine valide Zeiterfassung vorliegt, kann es schwierig werden, sich Überstunden auszahlen zu lassen oder diese abzufeiern, gerade wenn es sich hierbei um viele Stunden handelt. Mit der Zeiterfassung jedoch haben Sie gute Argumente an der Hand, um Ihrer Führungskraft vorzulegen, wie viel Ihnen nach der Kündigung an Freizeit oder Zusatzgehalt zusteht. Auch für Arbeitgebende sorgt die Zeiterfassung für einen sicheren Nachweis: So kann auch er oder sie dem Mitarbeitenden offenlegen, dass der- oder diejenige tatsächlich zu viele Stunden geleistet hat oder noch Stunden erbringen muss.
Sich freinehmen
In jedem Beruf gibt es stressige und entspanntere Phasen. Regelt es ein Unternehmen jedoch so, dass keine Überstunden regulär aufgebaut werden sollen oder können, können Mitarbeitende mittels ihrer erfassten Zeiten nachweisen, dass diese derzeit sehr viel mehr als üblich gearbeitet haben und um einen Tag oder mehrere Tage bitten können.
Chance auf Karriere
Damit ist nicht gemeint, wer besonders viele Überstunden erbringt, leistet auch automatisch mehr als andere und darf auf eine Beförderung hoffen. Vielmehr können Arbeitnehmende ihre Produktivität nachweisen. Wer etwa seine Arbeit in weitaus weniger Zeit bewältigt als andere mit vergleichbaren Aufgaben, sollte dies als valides Argument nutzen, um bei der nächsten Gehaltsrunde oder den nächsten Beförderungsgesprächen echte Pluspunkte auf seiner Seite zu haben. Vielleicht springt ja sogar beides für Sie heraus?
Zeiterfassung im Home Office: Klappt das?
Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden mittels eines Terminals ihre Zeit erfassen lassen, müssen im Home Office auf mobile, smarte Lösungen zurückgreifen. So kann die Zeit auch dort problemlos erfasst werden, indem die Mitarbeiterschaft auf HR-Apps mit entsprechendem Tool zurückgreifen. Auch webbasierte Programme sind möglich. Dieser Schritt ermöglicht es auch mit Zeiterfassung durch die Unternehmen flexibel (von zu Hause aus) arbeiten zu können.
Kann die digitale Zeiterfassung damit sogar ein Teil von New Work sein?
Nutzbar gemachte Mitarbeiterdaten, wie in diesem Fall die Zeiterfassung, können durchaus Bestandteil modernen Arbeitens sein. So kann diese dafür sorgen, dass Sie effizienter, präziser und mit Ihrem Privatleben besser vereint arbeiten können. Zeiterfassungen bedeuten per se nicht, dass das Vertrauen komplett verschwunden ist, vielmehr ist diese dadurch motiviert, Mitarbeitende so im Blick zu haben, um etwa auch gehäufte Krankheitsfälle besser abschätzen zu können und mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu reagieren. Einige Unternehmen setzen auf ein sogenanntes Ampelsystem mit grünen, gelben und roten Phasen. Stecken Arbeitnehmende im Übergang von gelb zu rot oder bereits in roten Phasen fest, kann das Unternehmen gezielt gegensteuern und den- oder diejenige von seiner oder ihrer Arbeit entlasten. Davon profitieren sowohl die Firma, die den Arbeitnehmenden länger arbeitsfähig erhält und Sie als Mitarbeitenden, der oder die vor arbeitsbedingter Erschöpfung bewahrt wird.